ÖSTERREICH-RDF TAGEBUCH TAG 4
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Mittwoch, 07. Juli 2010 |
Tag 4 - Krieg! ; Lienz - Kaiser-Fran-Josefs-Höhe, 145km, 2315HM
Solche Etappen sind ja prädestiniert für einen schnellen Beginn mit vielen Attacken. Viele Fahrer mit Rückstand im Gesamtklassement gehen auf Etappenjagd und wollen mit Vorsprung in den Berg fahren, der eine oder andere aus den Top 15 versucht sich mitzuschummeln, Sprint- und Bergwertungshamsterer suchen ebenfalls ihr Heil in der Flucht und der Rest vom Fest nennt die TV-Liveübertragung als Begründung für den Angriff. Normalerweise wird es dann früher oder später einigen Glücklichen gewährt, vorne weg zu fahren. Auch damit mal Ruhe einkehrt im Feld.
Ja…normalerweise. Was sich heute auf den flachen Kilometern, und das waren rund 100, vor dem langen Schlussanstieg zum Großglockner abgespielt hat, war nicht mehr normal. Die reinste Abschlachtung. In der ersten Stunde glühen wir etwas über 50km weit, die 100km Marke passieren wir nach 2:06h Fahrzeit. Bei Km 30 bin ich gut positioniert und sehe sechs Fahrer mit 100m Vorsprung auf das Feld, welches für einen Augenblick steht. Ich versuche mein Glück und sprinte der Gruppe gut 500m mit allem was ich habe hinterher. Mit dem letzten Quentchen Kraft komme ich hin und bete, dass das nicht für die Fische war. Leider doch…1km später heissts wieder “Feld geschlossen“ und das Spielchen beginnt von vorne. Ein kleiner Hügel wirft mich beinahe aus dem Feld und ich brauche einige Kilometer, um mich von dieser Aktion zu erholen. So schnell geht’s – eben noch vorne – plötzlich Letzter. Unmittelbar danach sind auf einmal 14 Mann vorne. Eine relativ große Gruppe und offenbar mit unliebsamen Gästen. Das Team Carmioro reiht sich ein und wir fahren knapp 40km mit 45sek Abstand zur Spitze. Immer zwischen 50 und 60 km/h. Nicht normal! Endlich ergeben sie sich vorne und ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass jetzt jemand Wichtiger Auszeit deutet und mal Waffenstillstand, sprich Pinkelpause, herrscht. Nix da. Die Schlacht geht für einige Kilometer weiter. 12 Mann kommen weg und die Mannschaft des Gesamtführenden lässt sie fahren – einige Fahrer halten an zur Verrichtung der Notdurft. Ich geselle mich dazu – es scheint ruhig zu sein. Ich will im Konvoi wieder ohne Stress nach vorne ins Hauptfeld fahren als ich auf einer langen Gerade ebensolches schön aufgefädelt wie eine Perlenkette sehe. Na super…die Schweine steigen wieder drauf. Der belgische Meister, Stijn Devolder, fährt vor mir und ich hänge mit ihm gut 10km am Anschlag im Konvoi, bis wir wieder das Ende vom Feld erreichen. Alter Schwede…das hat ordentlich Körner gekostet.
Die Bergwertung nach Heiligenblut kann ich noch im Feld mitfahren – unmittelbar danach geht’s los mit dem 16km langen Schlussanstieg. Ich hab eigentlich schon genug für heute, ehrlich gesagt. Ich suche meinen Rhythmus und ein passendes Hinterrad, weil doch ziemlicher, kühler Gegenwind bläst. Beides hätt ich mir besser gewünscht. Vor allem, weil heute neben meinen Eltern auch etliche Radlerfreunde aus meiner Heimat Waidhofen/Ybbs den Weg auf Österreichs höchsten Berg gefunden bzw genau gesagt, erradelt haben. Bestimmt 15 Männlein und Weiblein stehen 500m vor dem Ziel und ich höre schon weit davor meinen Namen. Das waren die coolsten Meter der ganzen Tour bisher und ließen die schweren Beine für einen Moment vergessen. Gänsehaut. Vielen vielen Dank. Das gibt Moral und hat mich irrsinnig gefreut! Ich wäre zwar gerne ein wenig früher bei euch gewesen – aber kann man nichts machen. Die Bergspezialisten im Team machen ihre Sache heute wieder sensationell (Anm.: heute Platz 10 in der Mannschaftswertung!) – Kapitän Harald Totschnig verbessert sich sogar auf einen Gesamt-Top-20-Platz, Stefan Kirchmair wächst über sich hinaus und unser Teambaby, Florian Gaugl, bringt erneut eine bärenstarke Leistung. Der Junge ist 19 Jahre alt, erstes Jahr Elite und radiert so durch die Gegend. Schon das ganze Jahr. Gewaltig! Weiter so!
Anlässlich der Feierlichkeit zur Halbzeit der Rundfahrt werden wir uns heut noch selbst belohnen. Für einige Minuten ist dann Radsport absolut Nebensache und es wird so sein wie damals, im Ferienlager, als wir alle beim Feuer saßen…..;-) I’m loving it!
P.S.: Venga venga, Espagna!!! Zurück |